Das Verborgene sichtbar machen: AR in der Welt von GIS und BIM

Samstagvormittag, die neue Lampe ist angekommen und jetzt möchte man sie endlich im Wohnzimmer aufhängen. Nur eine Frage: Wo kann ich denn jetzt ein Loch bohren, ohne dass mir dabei Kabel in die Quere kommen? Klar gibt es hierfür Geräte, die einem anzeigen, wo die Kabel verlaufen, aber wenn so etwas nicht vorhanden ist, bleibt die Lampe wohl erstmal dunkel. Mit Augmented Reality (AR) jedoch könnte man die Rohre sichtbar machen und genau sehen, wo welches Kabel verläuft. Denn bei AR werden virtuelle Informationen in das eigene Sichtfeld eingeblendet und somit die Realität um virtuelle Elemente erweitert.
So schön das klingt, kann man natürlich einwenden, na gut, nette Spielerei, aber ob ich jetzt noch ein oder zwei Tage länger auf meine neue Lampe warten muss, ist auch nicht so tragisch. Jetzt stell dir vor, du sitzt am Abend auf deiner Couch und möchtest Netflix schauen. Dein Router blinkt nur wild, die Leitung ist tot. Leider hat der Baggerfahrer bei den Bauarbeiten auf der Straße das Kabel versehentlich durchtrennt – er hat die Karte falsch gelesen. Gehen wir noch einen Schritt weiter: Ein Hubschrauber-Pilot fliegt bei schlechter Sicht in niedriger Höhe und kann ein Windrad erst sehen, wenn er nur noch weniger Meter entfernt ist. Ein augmentiertes Display kann hier Leben retten. Diese Situationen zeigen, dass AR nicht nur eine nette Spielerei sein kann, sondern extrem wichtig, um Verborgenes sichtbar zu machen. Doch bevor wir zur Technologie kommen, erklären wir euch wie Daten in unserer Umwelt gespeichert und mit ihrer Position in der realen Welt verknüpft sind.
Unübersichtliche Karten: GIS und BIM verschaffen Durchblick
Während Kartendienste wie Google Maps im Alltag völlig ausreichende Informationen über unsere Umwelt liefern, sieht es im Industriebereich ganz anders aus. Für Stadtwerke, Baufirmen oder Architekturbüros reicht es nicht aus zu wissen, wo eine Straße verläuft oder der nächste Bäcker ist. Interessant ist vor allem das, was man nicht auf den ersten Blick sehen kann. Also wo verlaufen die Rohre, wie groß ist deren Durchmesser, wann war die letzte Wartung und wo kann ich graben, ohne vorhandene Infrastruktur zu beschädigen. Diese und viele weitere Informationen sollten am besten zentral abgespeichert sein. Dies passiert in Geoinformationssystemen (GIS). Die Aufgabe dieser Systeme besteht in der digitalen Erfassung räumlicher Daten, deren lagegetreuen digitalen Darstellung und der Verknüpfung mit weiteren Informationen. So kann zum Beispiel angezeigt werden, in welcher Tiefe ein Glasfaserkabel verläuft und wo der nächste Hausanschluss ist.
Auch in Gebäuden ist eine Dokumentation der vorhandenen Infrastruktur unerlässlich. Sei es um Belüftungsrohre zu lokalisieren oder eben das Stromkabel nicht anzubohren. Hierfür verwendet man Building Information Modeling (BIM). Damit werden alle relevanten Bauwerksdaten digital modelliert, kombiniert und erfasst. Auch hier sind die Einsatzgebiete vielfältig und reichen von Städtebau über Geotechnik bis hin zum Ingenieurwesen. So können auch Digital Twins von Gebäuden erstellt werden, mit dem man sich jederzeit ein Überblick vom echten Gebäude verschaffen kann.

Das Lesen von GIS und BIM Plänen ist anspruchsvoll und kann zu Fehlern in der Praxis führen.
BIM und GIS sind sehr hilfreich und bringen viele Vorteile im Vergleich zu klassischem Kartenmaterial mit sich. Allerdings gibt es hier einen Haken: Sie bieten zwar einen Plan, der Objekte in der Umwelt referenziert, aber die Verknüpfung der Plandaten und unserer Umgebung müssen wir immer noch selbst übernehmen. Das System weiß nicht, wo wir uns befinden und in welche Richtung wir gerade schauen. Hält man die Karte dann bei der Planung falsch herum, ist eben schnell das Glasfaserkabel auf der falschen Seite durchtrennt. Und jeder, der schon mal versucht hat, sich in einem unbekannten U-Bahnnetz zurecht zu finden, weiß wie schwer Orientierung trotz Plan sein kann.
Der nächste Schritt: Visualisierung durch AR
Bisher werden bei Bauarbeiten die Rohrverläufe über Pläne bestimmt, auf den Boden gesprayed und somit die Verbindung zwischen Plan und Umwelt erstellt. Dabei sind Fehler jedoch nicht ausgeschlossen. Mit Augmented Reality könnten solche Fehler vermieden werden. Mit dieser absolut innovativen Technologie kann meine Position erfasst und auch verfolgt werden. Auch kann die Lage und Ausrichtung des Endgeräts bestimmt und damit ein vollumfängliches Tracking geleistet werden. Da das System nun meine Position kennt und auch weiß welche Objekte vor mir liegen müssen, kann die Verknüpfung von virtuellen Inhalten mit der realen Welt vom System übernommen werden. Der User kann nun zum Beispiel ein Smartphone, Tablet oder auch eine Datenbrille nutzen, um auf deren Displays zu sehen, wo in der realen Welt welches Rohr verläuft. Auch können durch einen einfachen Klick auf das entsprechende Objekt die zugehörigen Informationen wie Baujahr, Material oder auch Wartungszyklus angezeigt werden. Das hat nicht nur den Vorteil, dass es nicht zu Fehlern beim Karten lesen kommen kann, sondern es ist auch keine aufwendige Vorbereitung notwendig, bei der die passenden Pläne ausgedruckt werden müssen. Der mentale Aufwand 2D-Bilder in die reale Welt zu übertragen entfällt, da die 3D-Objekte direkt an den richtigen Stellen eingeblendet werden. So kann der Pilot die im Cockpit eingeblendeten Gefahren frühzeitig sehen und reagieren.

Dank GIS bzw. BIM und AR können Rohre auch unterhalb der Erde oder hinter Beton sichtbar gemacht werden.
Technische Umsetzungsmöglichkeiten
Um die georeferenzierten Informationen auch an der entsprechenden Stelle anzeigen zu können, braucht es, wie auch schon zuvor erwähnt, ein Tracking von Position und Rotation des Geräts. Wer sich schon mal mit dem Thema beschäftigt hat, wird wissen, hier ist doch einiges zu beachten. Zuerst sollte der Anwendungsfall genauer betrachtet werden. Im Außenbereich z.B. ist die einfachste Möglichkeit für die Positionsbestimmung und das Tracking GPS. Allerdings muss hier viel Aufwand betrieben werden, um die nötige Genauigkeit von wenigen Zentimetern zu erreichen. So kann beispielsweise über genau eingemessene Referenzstationen (DGPS) ein Korrektursignal bestimmt werden. Im Innenbereich sind schon von vorneherein ganz andere Techniken von Nöten. Klassisch werden hier Techniken wie Messung von Laufzeit und Signalstärke von z.B. WLAN und Bluetooth Signalen verwendet. Hier gibt es noch viele andere technische Möglichkeiten, von denen sich aber noch keine als flächendeckender Standard durchgesetzt hat. Dank Augmented Reality werden nicht nur Informationen auf ganz neue Art und Weise visualisiert, sondern auch neue Wege der Lokalisierung und des Tracking ermöglicht. AR Frameworks wie ARKit oder ARCore verwenden das Kamerabild, um mit Computer Vision und der Inertialen Messeinheit die Position zu verfolgen. Geräte wie die HoloLens 2 oder das iPhone 12 Pro verfügen sogar über Time-of-Flight-Kameras, um sich besser in ihrer Umgebung zurecht zu finden. Somit können AR-fähige Geräte ihre Position ohne Hilfestellung von außen selbst bestimmen. Nun fehlt also nur noch eine Technik zur inertialen Positionsbestimmung – der Synchronisation zwischen Virtuellem Modell und der realen Welt. Hier können z.B. Spatial Anchors verwendet werden, welche fest in ihrer Umgebung verankert sind. Auch wäre eine visuelle Triangulation denkbar. Vorhandene Infrastruktur, wie WLAN, Bluetooth Beacons oder ähnliches könnten ebenfalls für die Triangulation verwendet werden. Im Außenbereich wäre auch eine Kombination von AR, GPS und Objekterkennung denkbar – eine grobe Positionierung über GPS, eine Kalibrierung über die Erkennung von Objekten in der Umgebung und die Positionsverfolgung über das gewählte AR-Framework. Die Möglichkeiten sind so vielfältig wie die Aufgabenbereiche und Einsatzgebiete. Nicht jede Technik kann jede Aufgabe bewältigen und bei der Auswahl sollte sorgfältig abgewogen werden. Sicher kann man aber sagen, dass man mit Augmented Reality in richtiger Kombination mit GIS und BIM nur gewinnen kann.
Das beste kombinieren: GIS und BIM mit AR
Die technischen Möglichkeiten sind da, viele Use-Cases auch, jetzt wird es Zeit das das Ganze auch massentauglich wird. Dank Augmented Reality kann das Arbeiten auf Baustellen nicht nur schneller, sondern vor allem auch sicherer gemacht werden. Es ist zwar ärgerlich, wenn aus Versehen das Glasfaserkabel durchtrennt wird, aber wenn man an den Bereich von Hochspannungsleitungen denkt, werden solche Technologien lebensrettend. Zudem spart man sich lästige Vorbereitung und aufwendiges Karten lesen. Und zu guter Letzt können wir dann ganz beruhigt in unsere Wand bohren und die neue Lampe montieren.
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