Frauengesundheit – Ihr Körper, ihre Daten?

Eine wichtige Anmerkung vorweg: Wir sind stets um eine sensible Sprache bemüht und sind uns dessen bewusst, dass sich viele Menschen nicht zwingend einem Geschlecht zugeordnet fühlen. In diesem Artikel benutzen wir die Geschlechtsidentität „Frau“, möchten aber ausdrücklich betonen, dass wir mit dem Inhalt des Artikels zum Thema Frauengesundheit auch andere Geschlechtszuordnungen mit einschließen.
Krankheitsbilder: Männer vs. Frauen
Jedes Geschlecht weist bekanntermaßen gesundheitliche Besonderheiten auf: Es gibt spezifische Erkrankungen, die nur Frauen oder Männer betreffen und geschlechtsspezifisch gehäuft auftreten, Männer und Frauen kommunizieren ihre Symptome unterschiedlich und sie nehmen Krankheiten differenziert wahr (die Schmerzverarbeitung verläuft auf zellulärer Ebene ganz anders). Unterschiede finden sich außerdem in der Wirksamkeit von Medikamenten sowie bei der Inanspruchnahme von Versorgungsangeboten wieder. Mit diesem Wissen wurde im Jahr 2015 ein Präventionsgesetz verabschiedet, seitdem auch Krankenkassen bei ihren Leistungen die geschlechtsspezifischen Forschungsergebnisse berücksichtigen und ihre Leistungen dementsprechend ausgestalten müssen – nicht nur bei der Prävention und Gesundheitsförderung, sondern auch bei der Diagnose und Therapie.
„Die biologischen Unterschiede der Geschlechter werden verstärkt durch das Gender, also das gesellschaftlich und kulturell definierte Bild von dem, was einen Mann und was eine Frau ausmacht. Es beeinflusst, ob wir zu Vorsorgeuntersuchungen gehen, wie wir uns ernähren, ob wir rauchen und ob wir Sport treiben. Und es sorgt dafür, dass Frauen und Männer von einem Arzt oder einer Ärztin unterschiedlich behandelt werden“ (Hellner, C., 2019 in Zeit online).
Aber neben den biologischen Unterscheidungen differenzieren sich auch die psychosozialen Verhaltensmuster und auch auf Einflüsse aus der Umwelt und Umfeld wird geschlechtsspezifisch reagiert. Leider ist es nämlich in Deutschland immer noch häufig der Fall, dass gerade Frauen einem extremen Druck ausgesetzt sind, die oftmals gegensätzlichen Anforderungen von Familie, Beruf und Partnerschaft unter einen Hut zu bekommen. Frauen versuchen, diesen Erwartungen gerecht zu werden, wodurch die eigenen Bedürfnisse oft unter gehen – diese sind aber wichtig für ihre mentale Stabilität. Die psychische Gesundheit wird dabei von zahlreichen Umständen beeinflusst, doch meist müssen mehrere Faktoren gleichzeitig auftreten, bevor sich eine psychische Erkrankung entwickelt und erkennen lässt.
„Angststörungen sind die häufigsten psychischen Erkrankungen noch vor Depressionen. Jährlich erkrankt in Deutschland rund jede fünfte Frau“ (BZgA, Frauengesundheitsportal).
Neben Angststörungen leiden Frauen außerdem häufig am Prämenstruellen Syndrom (PMS), Menstruationsbeschwerden, Hormonstörungen, Endometriose, Blasenentzündungen, Brustkrebs, Depressionen, Burnout-Syndrom und vielen weiteren Krankheiten. Genetische und/oder hormonelle Unterschiede zwischen Männern und Frauen begünstigen zudem unterschiedliche Risiken für Osteoporose, Herzkrankheiten wie Vorhhofflimmern, und Nieren- und Leberfunktionsstörungen. Frauen sind außerdem in der Pubertät häufiger von Autoimmunerkrankungen betroffen, bei denen das Immunsystem körpereigene Zellen als fremd erkennt und angreift, wie zum Beispiel an Schilddrüsenerkrankungen.
Bisher wurde die menschliche Anatomie überwiegend am männlichen Körper erforscht und Medikamente größtenteils auch an Männern erprobt – der Mann galt bisher in der Medizin als Standard. Doch geschlechtsspezifische Besonderheiten gehören in der Medizin eigentlich längst zum Alltag, nicht nur aufgrund der chromosomalen Unterschiede, sondern auch wegen der verschiedenen Hormonprofilen. Die Gendermedizin versucht verstärkt, diesen Besonderheiten auf den Grund zu gehen, doch klappt die Umsetzung der Erkenntnisse noch nicht immer in der Praxis. Zahlen und Fakten, die zeigen, wie und wo Frauen in der Medizin ungleich behandelt werden, gibt es hier.
Lebensphasen der Frau
Von Kind zu Frau: die Pubertät. Die Gebärmutter verändert sich und die Schambehaarung und die Geschlechtsteile beginnen sich zu entwickeln. Mädchen bekommen in dieser Zeit einen Wachstumsschub und die Menstruation beginnt (meist im Alter von elf bis vierzehn Jahren). Gegen Ende der ersten Phase der Pubertät beginnt dann auch das Wachstum der weiblichen Brust, das wohl auffälligste Merkmal der beginnenden Pubertät. Im Gehirn der Jugendlichen herrscht auch ein ordentliches Chaos an Gefühlen: vor allem Ängste und Unsicherheiten, die erste große Liebe, Probleme mit dem veränderten Körper und Sinneskrisen.
Bestimmte Lebensphasen haben bei Frauen auch im Erwachsenenalter Auswirkungen auf das seelische und körperliche Wohlbefinden.
Betrachtet man die Schwangerschaft und Geburt, müssen sich Frauen nach einer Entbindung sowohl psychisch als auch physisch auf große Veränderungen einstellen. Treten Symptome einer Depression innerhalb der ersten zwölf Monate nach der Geburt auf, spricht man von einer Wochenbettdepression/Wochenbettpsychose. Bei den meisten Frauen setzen die Beschwerden in den ersten drei Monaten nach der Geburt ein und äußern sich, ähnlich bei einer typischen Depression, durch Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit oder Antriebsmangel. Zudem können körperliche Symptome wie Gewichtsverlust, Schlaflosigkeit oder Appetitstörungen wahrgenommen werden.
In der Erwerbsphase verspüren viele Frauen permanenten Stress, der oft durch mangelnde Anerkennung zusätzlich genährt wird. Bereits in Teil I unserer Digital Health Serie haben wir gelernt, dass Stress psychische Probleme verstärken und Erkrankungen daraus entstehen können. Die Doppelbelastung durch Familie und Beruf spielt gerade in diesem Lebensabschnitt eine wichtige Rolle.
Besonders in den Wechseljahren unterliegen Frauen aufgrund hormoneller Umstellungen häufigen Stimmungsschwankungen sowie Depression-ähnlichen Symptomen. Angststörungen, Nervosität, Gereiztheit oder ein „dünnes Fell“ zu haben, scheinen in dieser Phase besonders präsent zu sein. Hinzu kommt, dass sich in diesem Lebensabschnitt häufig private Umbrüche wie der Auszug der Kinder oder der Beginn der Rente ereignen, die Frauen zusätzlich belasten können.
Im Alter steigt schließlich das allgemeine Risiko, an psychischen Störungen wie Depression, Angststörungen oder Demenz zu erkranken. In dieser Lebensphase kommt es außerdem vermehrt vor, dass Krankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen hinzukommen, die die Symptome psychischer Erkrankungen weiter verstärken können. Frauen werden im Schnitt älter als Männer, was dazu führen kann, dass sie mit zunehmender sozialer Isolation zurechtkommen müssen, sobald ihr*e Partner*in stirbt und sie alleine zurecht kommen müssen.
Gesundheits-Apps für Frauen
Das alles bedeutet aber nicht, dass weibliche Körper besser oder schlechter als die eines Mannes sind – es bedeutet lediglich, dass sie anders sind! Und genau aus diesem Grund wurden viele Gesundheits-Apps speziell für Frauen entwickelt. Zykluskalender, Gewichts-Tracking, Schwangerschafts- und Empfängnis-Apps – sie alle fragen sensible Daten wie den Gemütszustand, Krankheitssymptome oder das Intimleben ab und sollen dabei helfen, die Selbstbestimmung von Patientinnen zu stärken und chronische Krankheiten in ihrem Alltag zu organisieren. Intelligente Algorithmen können dazu beitragen, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und die Therapien somit besser auf die Patientinnen zuzuschneiden.
Doch dabei gibt es ein großes Problem: landen diese Daten bei Drittanbietern, steigt die Gefahr, dass sie missbraucht werden. Es ist bereits bekannt, dass einige Apps die persönlichen Angaben zu Werbezwecken an Facebook, Google und Amazon übermitteln. Die Apps haben also nicht nur die Gesundheit der Frau im Sinn, sondern (vor allem) auch ihre Daten. Befinden sich Betroffene in einem verletzlichen Moment, sind sie für gezielte Manipulation empfänglicher:
„Werdende Eltern besitzen eine immense Kaufkraft und ändern öfter ihre Einkaufsgewohnheiten. Daten von schwangeren Frauen sind in der Werbebranche deshalb besonders begehrt: Firmen zielen darauf ab, dass die Eltern sich schon vor der Geburt für eine Marke entscheiden“ (Ketterer, A., 2019 in Netzpolitik.org).
Das Übermitteln der Daten führt also dann zum Ziel, dass nachgesehen werden kann, wann der ideale Zeitpunkt besteht, Frauen ein bestimmtes Produkt anzupreisen, das sie wohlmöglich gar nicht brauchen, nun aber kaufen würden. Viele dieser Gesundheits-Apps, die auf dem Markt sind, werden von Pharmaunternehmen und Krankenkassen finanziert, die ebenfalls kommerzielle Interessen verfolgen.
Es empfiehlt sich daher, im Vorhinein genauestens zu überlegen, welche Informationen SIE bereit ist herzugeben und gegebenenfalls Datenschutz-freundliche Apps zu benutzen.
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