25. Mai 2022
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Nachhaltige Digitalisierung – Nicht ganz einfach

Die Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft nimmt in der Manufacturing-Branche immer mehr Fahrt auf. Sowohl getrieben durch Lieferengpässe als auch durch immer umweltbewusstere Konsument:innen. Nach wie vor birgt die Branche diesbezüglich ungemeines, ungenutztes Potenzial. Bei der Umsetzung bedarf es jedoch den Einsatz geeigneter technologischer Maßnahmen und Mut.
Nachhaltige Digitalisierung

Warum ist nachhaltige Digitalisierung schwer zu erreichen? Ein Problem der Technologie ist es jedenfalls nicht. Wie so oft, scheitert der Ruf nach Nachhaltigkeit doch eher an uns Menschen – dabei muss es gar nicht so schwer sein, die Maßnahmen zu ergreifen. Aber lasst uns hier mal reinschauen, was es damit auf sich hat.

Gute Projekte finanzieren sich von selbst – richtig?

Wer kennt die Situation nicht: Um ein Projekt finanziert zu bekommen, rechnet man der/dem Entscheider:in die Gesamtkosten vs. Gewinn bzw. Ersparnis vor. Die schwarzen Ziffern am Ende der Betrachtung bestätigen: Das Projekt lohnt sich in der Summe. Selbst für neue und innovativere Ansätze der Produktentwicklung – wie smarte Services und Produkte im Manufacturing – müssen oft zunächst die Wirtschaftlichkeit des Investments in Gänze bewiesen werden.

Auf der einen Seite ist das verständlich, im Rahmen der Risikominimierung und im Sinne des Unternehmenszwecks profitabel zu sein. Auf der anderen Seite kann diese Betrachtungsweise eine Transformation im Umgang mit Ressourcen verhindern, wenn es um die Einsparung von CO2 geht. Denn: wie soll ein Unternehmen zuverlässig innovative Projekte bewerten, in dessen Umsetzung bislang keine oder wenig Erfahrung vorhanden ist? Zudem: Für uns ist längst nicht erwiesen, dass ein sinnvoller Richtungswechsel eines produzierenden Unternehmens immer mit einem „gewinnbringenden“ ersten Projekt am sinnvollsten zu starten ist, oder ob dieses starre Bewertungsmodell für Projekte nicht vielmehr Innovation ausbremst. Die enthaltene Ungewissheit in „Neuem“ ist schlicht schwer ganzheitlich zu bewerten.

Green Manufacturing

Green Manufacturing

Green Manufacturing

Lasst uns Nachhaltigkeit im Green Manufacturing anschauen.

Unter dem Begriff Green Manufacturing verbirgt sich genau das, was wir in dem Kontext erwarten:

  • Ganzheitliche Betrachtung und Optimierung der Wertschöpfung bzw. der damit verbundenen Produktionsprozesse
  • Reduktion schädlicher Ressourcen, die im Produktionsprozess benötigt oder ausgestoßen werden (eben bspw. CO₂)
  • Weg vom linearen hin zum zirkulären, also kreislauforientierten Wirtschaften

Wie kommen wir aber nun zur ganzheitlichen Betrachtung von Produktionsprozessen, um bspw. den CO₂-Footprint zu reduzieren? An dieser Stelle können wir annehmen, dass klassische Ansätze der Optimierung bereits ausgeschöpft sind.  Wir haben hier nur allzu viel Respekt vor der Historie und Entwicklung vieler Unternehmen. Aber gilt das auch für die digitale Welt? Die Erfahrung zeigt, dass hier noch ein massives Potenzial vorliegt, mit Digitalisierung die Herstellung von Waren im Sinne von Green Manufacturing voranzutreiben:

  • Optimierung von Prozessen wie Zerspanung durch eine optimierte Nutzung von Maschine und Werkzeug. Ermöglicht durch Sensorik direkt am Werkzeug.
  • Optimierter Einsatz von Energiespeichern durch genauere Vorhersagen von Nutzungsverhalten auf Basis vorliegender Daten aus bestehenden ERP- und MES-Systemen. Gewährleistet durch den Einsatz moderner Berechnungsverfahren und Modellierungstechniken mithilfe von künstlicher Intelligenz.
  • Erfassen, Tracken und nachvollziehbare Ausweisung von Ressourcenverbräuchen von Produkten. Sowohl im B2B als auch im B2C Bereich wird das den Druck auf Hersteller und damit die Lieferkette weiter erhöhen, ressourcenschonende Verfahren zu bevorzugen. Insbesondere das Tracking und die nachvollziehbare Ausweisung unter Sicherstellung von Fälschungssicherheit ist einfacher möglich durch den Einsatz moderner Technologien.

Bereit für ein Zwischenfazit? Alles ist ganz einfach, Green Manufacturing kann schon heute einen hohen Effekt erzielen und umgesetzt werden. Vorwiegend mit Blick auf das vorherrschende politische Momentum im Land. Aber ist das tatsächlich so? Spulen wir zurück an den Anfang und betrachten ein Unternehmen, das sich dahingehend verändern möchte.

Digitale Transformation

Die meisten Veränderungen hin zu einer nachhaltigen Ausrichtung von Unternehmen spielen sich heute im digitalen Bereich ab. Wir stellen uns jetzt also vor, dass wir ein Unternehmen begleiten, welches durch nachhaltige Digitalisierung ressourcenschonender werden möchte. Steht am Anfang der Transformation die Steigerung des Profits im Vordergrund? Klassischerweise ja, denn auch das erste Projekt will ja finanziert sein.

Das hat zur Folge, dass wir uns oft am Anfang und innerhalb der monetären Bewertung von Projekten verbiegen, um überhaupt mit der Transformation starten zu können. Allerdings ist dieses „Schönrechnen“ und die Suche nach Leuchtturmprojekten (aus Profit-Sicht) gerade am Anfang nicht selten schädlich:

  • Mitarbeiter:innen durchschauen schöngerechnete Vorhaben sofort. Das sorgt für Unmut und nagt an der Glaubhaftigkeit der handelnden Personen.
  • Das Springen auf das erste „profitable“ Pferd investiert die Zeit und Energie meist in die falsche (oder nicht genau richtige) Richtung. Und das: „nur, um doch voranzukommen“.

Nachhaltige Digitalisierung mit Rückendeckung

Um mit der Digitalisierung die Nachhaltigkeit von Unternehmen zu steigern, benötigt es die Unterstützung derjenigen, die die Geschicke der Unternehmen leiten. Die Rückendeckung der Geschäftsführung, der Stakeholder, der Aktionäre. Kurzfristiges Profit-Denken hilft kurzfristig, langfristiges und zukunftsgerichtetes Handeln führt uns in die Zukunft.

Die richtige Richtung von Anfang an einzuschlagen ist weitaus effizienter, als in kleinen Schritten, iterativ und im Zick-Zack-Kurs sich langsam durch scheinbar profitable Veränderungen fortzubewegen. Zudem verspielt letzteres im Falle eines fehlenden, kurzfristigen Effektes oft auch Kredit für zukünftige Vorhaben. Daher erfordert die Herangehensweise Mut zu einer grundsätzlichen Änderung der Bewertung des Wirtschaftens.

Jede:r zählt

Doch was können wir außerhalb unseres Beraterlebens, unserer Arbeit tun? Nachhaltigkeit in der Digitalisierung, Nachhaltigkeit im Wirtschaften und in der Produktion wird sich genau dann verändern, wenn wir Konsument:innen dies einfordern. Ob die Produktion unter Einsatz weniger Ressourcen günstiger ist als die Produktion unter Einsatz klassischer Verfahren, entscheidet die/der Verbraucher:in.

Fazit

Nachhaltige Digitalisierung bedeutet oft, auch unangenehme Entscheidungen zu treffen. Die Technik ist meist nicht der Verhinderer – Sensorik, digitale Verfahren und das Wissen um das „Wie“ ist meist vorhanden. Es geht nun darum, den richtigen Weg einzuschlagen – mit dem langfristigen Ziel im Blick. Durchhaltevermögen, Mut und Wille zur Veränderung sind die wesentlichen Eigenschaften. Wir Autoren freuen uns auf die Zukunft und diese Projekte – denn der Mehrwert wird sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich zeigen.

Bildnachweise: © pumikanpic - stock.adobe.com © VectorMine - stock.adobe.com

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